Ein Beschluss vorbei an der Realität

Artikel aus den Weinheimer Nachrichten, Weinheim, 09.04.2019

Weinheim. Die Tischtennis-Frauen des AC 92 Weinheim haben den Aufstieg in die 1. Bundesliga bereits in der Tasche, können am 5. Mai mit einem Sieg am letzten Spieltag sogar die Meisterschaft in der 2. Bundesliga klar machen. Doch richtig Freude will an der Bergstraße nicht aufkommen, denn der Verein liegt mit dem Deutschen Tischtennis-Bund im Clinch. Und der geht jetzt sogar vor das Sportgericht.

Der TTC hatte beim DTTB, wie in den Jahren zuvor, eine Ausnahmegenehmigung für die Austragung der Frauen-Spiele parallel zu den Begegnungen der Herren in der 3. Bundesliga beantragt. Bislang war das vom Verband auch genehmigt worden, jetzt lehnte Kolja Rottmann, Spielleiter der Damen-Bundesligen, das Weinheimer Gesuch ab.

Verband will Exklusivität

Begründung: „Damit das Alleinstellungsmerkmal 1. Bundesliga Damen auch sichtbar zum Tragen kommt, soll es in dieser Klasse zu keinen gleichzeitigen Mannschaftskämpfen kommen. Die 1. Damen-Bundesliga soll weiter professionalisiert werden und sich von der 2. und 3. Bundesliga auch dahingehend abheben, dass hier keine parallelen Spiele in der gleichen Halle stattfinden.“ So solle der Fokus komplett auf den Mannschaftskampf der Erstliga-Damen gerichtet werden.

Eine Entscheidung, die den Verein vor große Probleme stellt und gegen die der TTC 46 nun noch vor Ende der Frist in dieser Woche Einspruch beim DTTB-Sportgericht einlegen wird. „Wir sind ein kleiner Verein mit 180 Mitgliedern und sind bereits jetzt schwer gefordert, wenn wir an neun bis zehn Wochenenden unsere Heimspiele in der Sporthalle des Heisenberg-Gymnasiums austragen. Ich wüsste nicht, wie wir das schaffen sollen, wenn wir das getrennt für Männer und Frauen an doppelt so vielen Spieltagen machen sollten“, sagt ein enttäuschter TTC-Vorstand Christian Säger.

Dilemma für den Verein

Er kann nicht verstehen, warum ein exklusiver Frauen-Spieltag professioneller sein soll als die Bundesliga-Doppel-Spieltage von Damen und Herren, die der Verein jetzt seit zwei Spielzeiten erfolgreich durchführt. „Es war noch keiner vom DTTB da und hat sich mal angeschaut, wie das bei uns aussieht“, sagt Säger, der nicht nur die Machbarkeit von Spitzensport in Weinheim gefährdet sieht, sondern auch nur das Beste für Spieler und Zuschauer will. „Wir verkaufen hier 100 Würste und 17, 18 Kuchen. Die Atmosphäre ist einmalig und aus unserer Sicht sehr professionell.“

Davon überzeugte sich am Sonntag auch Weinheims Erster Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner. „Er will jetzt auch einen Brief an den DTTB schreiben, mit der Bitte, den Beschluss noch einmal zu überprüfen“, sagt Christian Säger, der dem derzeitigen Stadtoberhaupt auch dankbar ist, dass die Beleuchtung in der Schulsporthalle durch LED-Lampen erneuert wird, was dann für zusätzliche Bundesligatauglichkeit sorgen soll.

400 Unterschriften gesammelt

400 Unterschriften haben die Weinheimer von Zuschauern gesammelt, um zu demonstrieren, dass das Weinheimer Modell, das sich der TTC 46 damals von der Neckarsulmer Sportunion abgeschaut hatte, bestens ankommt. Davon konnte man sich auch am Sonntag wieder überzeugen. 210 Zuschauer fanden trotz tollem Frühlingswetter, Pflänzeltag und etlicher verkaufsoffener Sonntage den Weg in die Sporthalle des Heisenberg-Gymnasiums und verteilten sich gleichermaßen an den vier Tischen der Drittliga-Herren und Zweitliga-Damen. „Das macht ja gerade den Reiz aus und sorgt bei uns Spielerinnen ja auch für besondere Motivation, wenn wir vor so vielen Leuten spielen“, spricht Weinheims Spitzenspielerin Luisa Säger für das gesamte Damenteam.

Würde der TTC auch bei einem neuerlichen, dann von Dr. Michael Lehner vertretenen juristischen Vorstoß nicht mit den Herren parallel spielen dürfen, würde Weinheim auf den Aufstieg verzichten, die 1. Liga würde dann nur mit neun statt mit zehn Mannschaften antreten. Wie übrigens aller Voraussicht nach die 2. Liga nach dem finanziell bedingten Rückzug einiger Damenteams auch. Da hilft alle Professionalität nichts, wenn der Verband mit seinen Durchführungsbestimmungen an der Realität im Spielbetrieb vorbeiplant. Beim TTC-Spiel in Hamburg saßen bei der Begrüßung sechs Zuschauer im Publikum. AT