Abbruch, Skandal, Feier: Der TTC 46 ist Deutscher Meister

Weinheimer Nachrichten | Sport | Montag, 30. Juni 2025

29.06.2025:
Als Weinheims Mannschaftsführerin Yuan Wan um 15.03 Uhr den Pokal des Deutschen Meisters in die Höhe streckt, ist das wohl kürzeste Finale der deutschen Tischtennis-Geschichte gespielt. Der TTC 46 gewinnt den Titel und Berlin zeigt sich als schlechter Verlierer.

Abbruch, Skandal, Feier: Der TTC 46 ist Deutscher Meister

Von Anja Treiber – WNOZ

Christian Säger bricht die Stimme. Der Mann, der seit 25 Jahren Vorsitzender des TTC 46 Weinheim ist, bedankt sich am Mikrofon beim Publikum, bei der Mannschaft, beim Trainer. „Aber vor allem bei meiner Frau. Ohne deren Unterstützung könnte ich das alles hier nicht machen.“ Dieses „alles“ – das ist Spitzensport in Weinheim. Erst vor 15 Jahren entschloss sich der TTC-Macher auch dank seiner beiden Tischtennis spielenden Töchter in Weinheim auch das Damen-Tischtennis hochklassig zu fördern. Vor fünf Jahren stiegen die Weinheimerinnen in die Bundesliga auf. Jetzt folgte mit der ersten Deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte die Krönung.

Tochter Luisa, die den Weg in die Bundesliga mit ebnete, ist nicht mehr im Team. Die Mannschaft rekrutiert sich aus vielen internationalen Spielerinnen um die deutsche Nationalspielerin Yuan Wan. „Als ich vor drei Jahren hierher kam, waren wir Vorletzter. Dass wir das jetzt geschafft haben, das freut mich so sehr – für die Mannschaft, den Verein, das Publikum. Wir haben uns das jetzt einfach mal verdient“, sagt die 29-Jährige, die nach dem olympischen Halbfinale in Paris 2024 nun ihren ersten Vereinstitel bei den Frauen verbuchen darf und in ihrer Weinheimer Zeit eine Riesenentwicklung hinlegte.

„Das hier ist einfach besonders. Es ist richtig schön, für andere mitzuspielen. Ich spiele viel lieber Mannschaft als alleine“, sagt die Weinheimer Team-Kapitänin, die gestern nicht nur von ihren Eltern, sondern auch von Lebensgefährte Anton Källberg, selbst Nummer elf der Welt bei den Männern, unterstützt wurde. Da feiert es sich gleich noch besser. „Zum Feiern braucht sie mich nicht“, lacht der 27-jährige Schwede. „Dafür hat sie die Mannschaft.“

Dass dieses Team nach dem Weggang der vorherigen Nummer 1, Bruna Takahashi, in dieser Saison genauso stark performt wie in den vergangenen beiden Spielzeiten, als der deutsche Vizetitel unter dem Strich stand, damit hat auch TTC-Trainer Rainer Schmidt nicht gerechnet. Auch für ihn war der Triumph gestern der größte Erfolg seiner Karriere. „Dass sich die Spielerinnen als Mannschaft so gut verstehen, gibt vielleicht letztlich den Ausschlag, wenn es eng wird. Wir haben mit Tung-Chung Chien und Ece Harac einfach wieder auch herausragende menschliche Charaktere dazubekommen.“ Sagt’s und duscht „seine“ Frauen mit einer Magnum-Flasche Champagner.

„Lois“ Chien hält sich die eisgekühlte Flasche an die Stirn, Mateja Jeger nimmt lieber einen kräftigen Schluck. Dass sie ihr Doppel mit Ece Harac im fünften Satz mit dem 11:8-Sieg gegen Surjan/Neumann beenden konnte, das 2:0 nach dem Viersatzsieg von Wan/Chien aber gleichzeitig auch der letzte Punkt der Partie war, kümmert sie nicht. „Wir haben uns diesen Titel absolut verdient und lassen uns die Freude darüber auch vom Berliner Protest nicht verderben.“ Im Restaurant am Waidsee gab es darauf einen Lillet, bevor sich Yuan Wan und Tung-Chuan Chien in den Flieger nach Las Vegas machten, wo ein erneutes Challenger-Turnier ansteht. Die Koffer dafür standen schon in der Halle.

Künftig in der DBS-Sporthalle

Für Mateja Jeger und Ece Harac geht es zurück nach Kroatien beziehungsweise in die Türkei. Und Harac dürfte Weinheim dann in der kommenden Saison fehlen. „Ich muss im Rahmen meines Studiums da bleiben. Aber ich hoffe, dass ich wiederkommen kann. Denn Weinheim – das war vom ersten Tag wie eine Familie für mich. Das wird mir echt fehlen.“

Fehlen wird die türkische Nationalspielerin nicht nur in der künftigen neuen Heimspielstätte. Denn in der kommenden Saison sollen die sechs regulären Heimspiele (gerne mit Saisonverlängerung) in der renovierten Dietrich-Bonhoeffer-Schulsporthalle ausgetragen werden. Mit ausziehbarer Tribüne und perfekten Verpflegungsoptionen ein besserer Standort für Spitzensport, als es die WHG-Schulsporthalle ist. Fehlen wird Harac auch bei der Ehrung der Stadt. „Ich habe ja gesagt, wenn ihr Deutscher Meister werdet, dann könnt ihr den Balkon haben“, jubelte Oberbürgermeister Manuel Just mit den TTC-Frauen mit.

Die Abordnung des ttc berlin eastside war schon längst nicht mehr in der Halle, als DTTB-Sportdirektor Richard Prause Pokal und Medaillen an den neuen Deutschen Meister vergeben hatte. Dass es zu einer Neuansetzung der Partie kommen wird, damit rechnet niemand. „Das wäre ja komplett verrückt. Wenn nach dieser Saison nicht klar ist, wer den Titel verdient hat, wann dann“, sind sich die Weinheimerinnen einig. Dass das Publikum nach noch nicht mal einer Stunde Spielzeit wieder heimmusste, bedauert auch Yuan Wan. „Die Berliner Spielerinnen haben uns gesagt, dass das nicht ihre Entscheidung war.“

„Keine würdigen Bedingungen“

Berlins Manager Andreas Hain sah das anders: „Das war unzumutbar, die Spielerinnen konnten sich nicht konzentrieren. Es ist viel zu heiß. Warum spielen wir hier mittags und nicht abends? Warum stellt man nicht zumindest morgens hier Kühlgeräte rein? Ich verstehe nicht, warum hier keine Bedingungen geschaffen werden, die dieses Spiels würdig sind.“

Gleichwohl: Die Bedingungen waren für beide Teams gleich. Und Weinheim triumphierte schon beim 6:3-Sieg am Freitag im Hinspiel und hatte die Bundesliga souverän gewonnen. Auch moralisch ist der TTC 46 meisterlich.